Brunnen als Lieblingsmotive der ersten Fotografen

Zehn Sekunden stillstehen mussten die Kurgäste in der Wandelhalle im Kurhaus, als Fotograf Philipp Müller mehrfach hintereinander Aufnahmen machte. Repro: Bergner

Bad Homburg (hw). Alte Fotografien anzusehen, ist ein Stück Nostalgie, fördert aber auch das Geschichtsbewusstsein. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es noch keine Kurgäste in Homburg, die eigene Fotos von ihrem Kuraufenthalt knipsten. Doch nachdem in Paris 1839 die Erfindung der Fotografie bekannt gegeben worden war, war ein Jahr später bereits der erste Wanderfotograf in Homburg tätig. „Stadtansichten und Landschaftsaufnahmen wurden immer populärer“, berichtete Dr. Eberhard Mayer-Wegelin bei seinem Vortrag „Homburg vor der Höhe als aufstrebende Kurstadt – Fotografische Ansichten aus der Zeit von 1865 bis 1895“. Der Jurist und Experte für frühe Fotografie in der Region zeigte vor großem Auditorium in der Villa Wertheimber ausdrucksstarke und seltene Fotografien.

Der Vortrag wurde zu einem Spaziergang durch vergangene Zeiten: Nach der Eröffnung der Homburger Spielbank 1841 und der Entdeckung vieler Quellen im Stadtgebiet entwickelte sich Homburg zu einer viel besuchten Kurstadt – Kurgäste, Spieler und wohlhabende Gäste aus Fürstenhäusern kamen. Eberhard Mayer-Wegelin erwähnte die erste Berührung der Homburger und ihrer Gäste mit der Fotografie: 1840 sei ein Mann namens „R.Werner“ aus Mainz nach Homburg gekommen und hatte inseriert, dass er Interessierten das Verfahren der Fotografie im Saal des Brunnenhauses erläutern würde. Schnell sprach sich herum, wie fotogen die Brunnen, Parks und wichtigen Gebäude der Kurstadt waren, und einheimische und vor allem auswärtige Fotografen machten sich daran, Schloss, Kurhaus, Louisenstraße, die Brunnen im Park und andere Gebäude aufzunehmen und teilweise auch in Bildbänden zu veröffentlichen.

Ohne Felsengrotte

So schoss Friedrich Jacobi, Bruder des berühmten Baumeisters Louis Jacobi, mit 17 Jahren eine Außenaufnahme, die Seltenheitswert hat: Der junge Fotograf, der sein Fotolabor 1857 in Homburg eröffnete, nahm den Ludwigsbrunnen damals noch ohne die später angelegte Felsengrotte auf. In den 1860er-Jahren konkurrierten schon mehrere Fotografen in Homburg, so Mayer-Wegelin. 1868 gab Philipp Müller ein Buch mit zwölf eingeklebten Originalfotografien der Kurstadt für französische Kurgäste heraus – hieraus stammte die Stadtansicht vom Wingertsberg aus mit Blick auf den Taunus. Auch das Kurhaus, erbaut von Louis Jacobi, war ein beliebtes Fotomotiv. Orangenbäumchen säumten damals die Seitenflügel des Kurhauses, Kutschen standen davor.

Menschen in Bewegung aufzunehmen, war in der Anfangszeit der Fotografie noch unmöglich. Und so zeigte Eberhard Mayer-Wegelin ein besonderes Foto vom Inneren der Wandelhalle im Kurhaus – der Fotograf Müller hatte hier die anwesenden Kurgäste gebeten, mindestens zehn Sekunden stillzuhalten, damit er sein Foto schießen konnte. Auf dem Foto „Japanischer Speisesaal“ des auswärtigen Fotografen Frantisek Friedrich aus Prag konnten die Anwesenden in der Villa Wertheimber sehen, wie schwierig es mit der Fotografie von Menschen damals noch war: Hinter den aufgestapelten Tellern und den weißgedeckten Tischen sieht man sie wie Schemen dahinhuschen.

Palmenhaus als Sensation

Brunnen waren ebenfalls Lieblingsobjekte der Fotografen der damaligen Zeit. Der Referent zeigte Aufnahmen von Luisenbrunnen, Stahlbrunnen und Elisabethenbrunnen, die in den 1870er- und 1880er-Jahren noch ganz anders gefasst waren als heute. „Auch das Palmenhaus war damals eine große Attraktion“, berichtete Mayer-Wegelin und zeigte die Aufnahme einer seltenen Arancaria-Palme von 1865. Der Tennisplatz im Kurpark, der erste Platz auf dem Kontinent, der 1876 eröffnet worden war, war ebenfalls ein beliebtes Fotomotiv, damals noch „Spielplatz im Park“ tituliert, weil man noch nicht so genau wusste, was Tennis eigentlich für ein Spiel war. Auch die Homburger Straßenzüge wie Promenade, Kisseleffstraße und Louisenstraße waren den Fotografen Aufnahmen wert. So konnte der Referent das Eckhaus Kisseleffstraße/Promenade zeigen, an dessen Stelle später das Ritters-Park-Hotel erbaut wurde. Selten auch die Aufnahme vom Inneren des sogenannten „Fürstenpavillon“, der 1883 an der Schönen Aussicht zum Empfang der Gäste des Kaisermanövers errichtet worden und später wieder abgerissen worden war.

Dr. Eberhard Mayer-Wegelin erinnerte in seinem Foto-Vortrag an viele geschichtliche Ereignisse aus der Zeit bis 1895. Der Experte, der auch ein Fotobuch über das alte Frankfurt herausgegeben hat, hat viele seiner seltenen Aufnahmen, die er zum Teil auf Auktionen erstanden hat, dem Bad Homburger Stadtarchiv überlassen. „Und es tauchen immer wieder alte Fotos auf“, sagte der Referent. So lässt sich nachvollziehen, dass in Bad Homburg das Alte vom Charakter her an vielen Stellen noch erhalten ist.

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