Kompromiss und Porzellan

Kompromiss und Porzellan

Kronberg (mg) – Die zuvor genannte, in Teilen existente Kompromissbereitschaft zeigte sich in erster Linie in den Beschlüssen und vermutlich inoffiziellen Gesprächen zuvor, auf persönlicher Ebene lag nach der zurückliegenden Kommunalparlamentssitzung am Ende doch erneut einiges an zerschlagenem Porzellan samt Frust auf dem Fußboden der Stadthalle. Eine ganze Reihe von Parlamentariern aus beinahe allen politischen Richtungen, gewiss nicht alle, aber bedauerlicherweise zu viele, haben den „Schuss im letzten Jahr“ vielleicht gehört, erleben ihre ideologischen Begehrlichkeiten dennoch weiterhin persönlich als zu vordergründig.

Das liegt vermutlich noch nicht einmal daran, dass sie mit Kalkül und böser Absicht hantieren und monologisieren, sondern wahrscheinlich daran, dass es „ihnen schlichtweg nicht gelingt“, selbst wenn sie wollten. Es fehlt in einigen Teilen des Parlaments die Fähigkeit oder Bereitschaft, die Sache an sich zu betrachten, und nicht die parteipolitische oder auch persönliche Ideologie. Subjektive Belange schwingen allzu häufig und in destruktiv vorhandenem Maße mit. Reden werden bisweilen persönlich, Blickwinkel zu eng und der gesamtgesellschaftliche Auftrag in einer Demokratie nicht hinreichend berücksichtigt. Dass es auch anders geht, man auch emotional, subjektiv und gleichzeitig sachlich sein kann, erlebte man beispielsweise bei der Rede des Stadtverordneten Udo Keil. Sein Redebeitrag zur Ansiedlung von Gewerbeflächen, aufgrund derer Naturräume weichen müssen und die seine Fraktion und er deshalb ablehnten, war inhaltlich auf den Punkt, nicht zu lang, nicht zu kurz, nicht von Egozentrik geprägt, nicht das anders denkende Gegenüber abwertend, und vor allem war der Beitrag eines: durchdacht. Auch hinsichtlich des Themas Effizienz einer Rede an langen Abenden, bei denen es nicht immer leicht ist, nach 3½ Stunden noch zuzuhören und zu folgen. Das konnte man bedauerlicherweise   – und das bedauert der Redakteur im Sinne der aktuell fragilen Demokratie tatsächlich und ohne Wertung – nicht von allen Redebeiträgen sagen. Aber wie gesagt, vermutlich wollen einige wenige Protagonisten nicht anders, einige können es eventuell aus unterschiedlichen Gründen schlichtweg nicht. Das ist das eigentliche Dilemma.

Das „Nicht-Können“ muss nicht zwangsläufig mit inhaltlicher Inkompetenz zu tun haben, damit an dieser Stelle kein Missverständnis entsteht. Es kann aus psychischen Mustern stammen, die das Individuum nicht erkennt. Im Übrigen ist das Parlament der Spiegel der Gesellschaft und umgekehrt. Nicht, dass man jetzt wieder beim Lesen dieser Zeilen beginnt zu denken: Ja, ja, die Politikerinnen und Politiker. Nein, es ist der Mensch an sich. Wählerinnen und Wähler und ebenso Nichtwählerinnen und Nichtwähler – wiederum gewiss nicht alle, gleichzeitig zu viele  – funktionieren ebenso häufig unbewusst und sind damit mehr mit sich selbst beschäftigt als mit dem eigentlichen Inhalt der Themen, die so gut wie immer – auf der Suche nach dem Kompromiss, da man eben keine Insel ist – ausreichend differenziert zu betrachten sind. Dass der funktionierende und oftmals hart zu erarbeitende Kompromiss das Herzstück einer Demokratie darstellt, bei dem der persönliche Schatten oft zu übersprungen ist, muss noch deutlich stärker sowohl in der Kronberger Kommunalpolitik wie auch der Stadtgesellschaft ankommen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die tatsächlich Kompromissbereiten aus jeder politischen Ecke mit ausreichend gesamtgesellschaftlicher Weitsicht zukünftig noch mehr Gehör verschaffen können. Und damit sind größere Teile der kommunalen Politik und der Bürgerschaft gleichermaßen angesprochen.

Markus Göllner



X